Schulzeit
Ich ging von 1970 bis 1980 in die 19.POS Dresden an der Zinzendorfstrasse.
Die besten Jahre dort waren die letzten drei. In denen hatte ich eine
Klassenlehrerin, die mich förderte und mit den Schülern einen respektvollen
Umgang pflegte. Zusätzlich zum Unterricht habe ich die Arbeitsgemeinschaften
Chemie und Fotografie besucht. Das Fotografieren und Entwickeln der Bilder wurde
dann auch mein Hobby.
Lehre
Gelernt habe ich Betriebsschlosser im Transformatoren-
und Röntgenwerk Dresden. Nach der Lehre fiel mir immer mal auf, dass die
Ausbildung dort recht umfangreich war, zum Beispiel gehörte ein Schweißerpaß
nicht überall zur Schlosserlehre. Gegen Ende der Lehre habe ich mich dann
entschlossen, den zugewiesenen Arbeitsplatz nicht anzunehmen, sondern zur
Deutschen Reichsbahn zu wechseln. Während der Lehrzeit habe ich an einer
Art des Urlaub machens Gefallen gefunden, die man damals Trampen nannte. Ich fuhr
mit Freunden per Anhalter, Bahn oder Bus in den Norden der Republik, um auf mehr
oder weniger legalen Zeltplätzen das Jugendleben zu genießen.
Deutsche Reichsbahn
Nach der Lehre fing ich also bei der Reichsbahn an. Mir hat besonders die
allgemeine Atmosphäre dort gefallen. Trotz des recht proletarischen
Tones in einer Eisenbahnwerkstatt hatte ich doch immer das Gefühl, Teil
der großen Eisenbahnerfamilie zu sein. Mein Dienstort war der
Güterbahnhof Dresden Neustadt. Das war für mich in mehrerer Hinsicht
ein Gewinn. Die Werkstatt lag direkt neben einem Wohngebiet mit Altbausubstanz.
Etliche Kollegen wohnten in der Umgebung. Hier waren gewachsene soziale Strukturen
vorhanden, die ich bis dahin nicht kannte. Ich war in der Seevorstadt Ost
aufgewachsen, ein Gebiet, das im 2. Weltkrieg komplett zerstört und
um das Jahr 1960 neu bebaut wurde. Damals war die Mehrheit der Bewohner
in dem Alter, in dem sie Familien gründeten. Neudorf¹ hingegen
war damals ein Arbeiterviertel mit Bürgerhäusern an der Leipziger
Straße. Kleine Läden und Eckkneipen vervollständigten das Bild.
Der Güterbahnhof Neustadt schließt das Viertel nach Nordosten,
die Elbe nach Südwesten ab. In dieser Gegend habe ich acht Jahre gearbeitet,
Leute kennengelernt, Bier vertilgt und den Mikrokosmos zwischen Moritzburger
Platz und Erfurter Straße studiert.
¹ diese
Ortsbezeichnung ist selbst alteingesessenen Dresdnern nicht immer geläufig.
Neudorf war ein 1551 gegründetetes Straßendorf entlang der heutigen
Moritzburger Straße. Der Name Neudorf muß noch bis ins 20. Jahrhundert
hinein gebräuchlich gewesen sein, wie die Beschriftung der gleichnamigen
Güterabfertigung unterhalb der Marienbrücke bis vor wenigen Jahren
bezeugte.
Wehrdienst
Wie fast jeder männliche DDR-Bürger wurde auch ich zum Wehrdienst
einberufen. Am Tag der Einberufung wurden die Soldaten ihren Einheiten
zugeteilt und bekamen ihre Verwendung mitgeteilt. Weil ich mich beim
Funkertest nicht wie die meisten blöd angestellt hatte, wurde ich
Funker und kam zunächst für ein halbes Jahr zur Ausbildung nach
Cottbus. Das war mir ganz recht, denn so hatte ich nicht den Streß
mit den älteren Diensthalbjahren. Da waren wohl ein oder zwei
Rüpel darunter, die ihren geistigen Zwergenwuchs an den Jüngeren
auslassen mußten. Nach diesem halben Jahr kam ich als Funker zum
Fla-Raketen-Regiment 31 nach Straßgräbchen. Der Kompaniechef
war ein umgänglicher Mensch und der preußische Kasernenhofton herrschte
in dieser Kompanie nicht. So hatte ich als Funker jeden Tag einen ruhigen
Dienst, in den mir kaum jemand reinreden konnte. Die stille Übereinkunft
lautete, sich gegenseitig das Leben nicht schwer zu machen. Die Stimmungslage
bei der NVA schien in der Endzeit der DDR ohnehin entspannt zu sein. Als
dann im Oktober 1989 die ersten Massendemonstrationen stattfanden hatte
ich sogar den Eindruck, das die Kommandeure die Annäherung an die
Mannschaften suchten.
Wende
Als die Grenzen geöffnet waren und erste Fragen nach einer sicheren
Zukunft gestellt wurden reifte in mir die Entscheidung, die Bahn zu
verlassen. Mir war klar, dass eine wie auch immer geartete Vereinnahmung
der Deutschen Reichsbahn durch die Bundesbahn zur Schließung von
Werkstätten und zum Personalabbau führen mußte. Anfang
1990 suchte der damalige Robotron-Betrieb Meßelektronik
Arbeitskräfte jeder Art für ein neues Leiterplattenwerk. So wurde
ich zunächst Maschinenführer eines großen Automaten für
galvanische Beschichtung. Nach drei Jahren bewarb ich mich auf eine andere
Stelle im Betrieb. Dort wurden die Layouts für Leiterplatten produktionsfertig
gemacht und Filme geplottet. Nachdem ich schon Mitte der 80er Jahre am
PC 1715 programmieren gelernt hatte, konnte ich mir nun einen Traum
erfüllen und an großen Computern arbeiten. So eine Apollo
800 war damals ein recht wuchtiger 19-Zoll-Schrank. Bald kam ich auch
wieder ans Programmieren. Der Chef wußte das zu schätzen, und
so entstanden im Laufe der Jahre etliche kleine und größere
Projekte zur Automatisierung der Arbeit an den CAD-Stationen. Die
daraus folgende Beschleunigung der Abläufe fand bei den Kunden
des nunmehr als FUBA Leiterplattenwerk Dresden GmbH firmierenden
Betriebes einige Anerkennung. Infolge der Insolvenz der Firma FUBA ist
meine Tätigkeit dort im Sommer 2009 zu Ende gegangen.
Neue Welt
Die dramatischen Veränderungen der Gesellschaft brachten auch
einen neuen Lebensstil mit sich. Die Urlaubsziele hießen nun Kenia,
Mexiko und Malediven. 1992 habe ich die Amateurfunkprüfung gemacht.
Durch den Funk habe ich viele neue Leute kennengelernt. Wir hatten
eine Klubstation im ehemaligen Funkwerk Dresden. Dort konnte
man bedenkenfrei senden ohne jemanden zu stören. Wir sind an
vielen Wochenenden auf die Berge rund um Dresden gestiegen um von dort
Funkbetrieb zu machen. So kam ich auch zu meiner heutigen
Sonntagsbeschäftigung, dem Wandern.
Im Jahr 2003 fiel mir ein, dass ich früher als Musiker
berühmt werden wollte. Der Versuch, auf
eine Musikschule zu kommen war in der Schulzeit fehlgeschlagen, aber
nun konnte ich mir ja einen Privatlehrer nehmen. Gedacht, getan,
nach drei Jahren wußte ich wie man einen E-Baß hält und
wie man die Zeichen auf dem Notenblatt entziffert. Nach zwei Bands bin
ich bei einer neugegründeten Band gelandet. Die anderen Musiker
sind 20 Jahre jünger als ich. Das funktioniert
überraschenderweise besser als mit Gleichaltrigen. Ich nehme
bewußt wenig Einfluß auf die Stilistik.
Berlin
Nach 46 Jahren in Dresden kam die größte Veränderung meines
Wohnorts bisher. Meine neue Tätigkeit ließ mich nach Berlin
übersiedeln, genauer nach Spandau-Wilhelmstadt. Ich habe eine kleine
und ruhige Wohnung im Hinterhaus gefunden, 20 Minuten Fußweg vom
Arbeitsort entfernt. Ein wenig erinnert das Stadtviertel an die Dresdner
Neustadt. Auch hier gibt es noch kleine Läden und Handwerker, die
großen Konsumtempel sind zu weit entfernt, um Kundschaft abziehen
zu können. Spandau vermittelt den Eindruck der Eigenständigkeit.
Das liegt sicher auch daran, das die Spandauer Volksseele die 1920 erfolgte
Eingemeindung nach Berlin noch nicht akzeptiert hat.
26.06.2010